Ersatz von Wiederbesatzkosten bei rechtswidrigem Abschuss geschützter Wildtiere

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 22. Dezember 2016 wurde nun in der Fachzeitschrift „Recht der Umwelt“ von Mag. Dr. Rainer Weiß ausführlich erläutert und interpretiert. „Mit seiner Entscheidung setzte der Oberste Gerichtshof einen richtungsweisenden Schlussstrich“, führt der Jurist des Instituts für Umweltrecht der Johannes Keppleruniversität in Linz in seinem Fachbeitrag einleitend aus. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich der Revision des Nationalpark Kalkalpen Folge geleistet und das erstinstanzliche Schadenersatzurteil des Bezirksgerichtes Steyr bestätigt. Demnach ist die wegen eines Luchsabschusses vom Strafgericht rechtskräftig verurteilte I. W. aus Linz schuldig dem Nationalpark Kalkalpen € 12.100.- Schadenersatz zu leisten. Überdies hat die Beklagte die bestimmten Kosten des zivilgerichtlichen Berufungs- und Revisionsverfahrens zu ersetzen.

In der Nationalpark Kalkalpen Region läuft seit dem Jahr 2008 ein Wiederansiedelungsprogramm für Luchse. Ab 2012 verschwanden immer wieder Luchskuder auf mehr oder weniger mysteriöse Art und Weise. Der Kadaver eines dieser Luchse wurde schließlich aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung im Frühjahr 2015 in der Tiefkühltruhe eines Tierpräparators gefunden. In der Folge wurde die Jägerin mit Urteil des Landesgerichts Steyr rechtskräftig für diesen Abschuss verurteilt. Die zivilrechtlichen Ansprüche wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Das schadenersatzrechtliche Problem besteht in diesem Fall darin, dass Luchse als Wildtiere herrenlos sind und so erst durch die Aneignung Eigentum entsteht. Zudem erfolgte der Abschuss außerhalb des Gebiets des Nationalparks. Somit liegt ein bloßer Vermögensschaden vor, also ein Schaden, der im Vermögen des Geschädigten eintritt, ohne dass er aus der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts resultieren würde. Solche bloßen Vermögensschäden sind nur unter bestimmten Voraussetzungen ersatzfähig, etwa dann, wenn ein Schutzgesetz iSd. § 1311 Satz 2 ABGB verletzt wurde. Unter Schutzgesetzen versteht die Rechtsprechung abstrakte Gefährdungsgebote, die bestimmte Personen bzw. Personengruppen von einer Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen sollen. Im konkreten Fall können sowohl die Bestimmungen des Umweltstrafrechts (§181f StGB) als auch des OÖ Naturschutzrechts (OÖ NSchG 2001) als Schutzgesetze herangezogen werden. Beide Bestimmungen dienen der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) der EU in das österreichische Recht, weshalb maßgeblich auf deren Schutzzwecke abzustellen ist. In erster Linie dient die FFH-RL wie auch das OÖ NSchG zwar dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz. Der OGH hat in dieser Entscheidung aber sehr gut begründet, dass die FFH-RL und damit auch die nationalen Umsetzungsvorschriften daneben auch den Schutz bloßer Vermögensinteressen verfolgt, da ein „Schutz der Pflanzen-und Tierarten durch den Staat […] nur durch den Einsatz von finanziellen Mitteln möglich“ ist. Ein solches Vermögensinteresse ist dadurch gegeben, dass die Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen Gesellschaft mbH zur Aufrechterhaltung eines entsprechenden Luchsbestandes im Nationalpark verpflichtet ist und daher auch die entsprechenden finanziellen Aufwendungen zu tragen hat. So kommt der OGH zutreffend zum Ergebnis, dass der bloße Vermögensschaden der Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen GmbH in Form der Kosten für den Wiederbesatz in der Höhe von etwa € 12.000 vom Schutzzweck der von der Jägerin verletzten Bestimmungen des StGB und des OÖ Naturschutzrechts iVm der FFH-RL umfasst ist und die Jägerin für diesen Schaden Ersatz zu leisten hat.

Nähere Details zum Urteil des Obersten Gerichtshofes können in der Fachzeitschrift Recht der Umwelt (RdU 2017/71, 83, Manz Verlag Wien, Herausgeber: Institut für Umweltrecht an der Johannes Keppler Universität) nachgelesen werden. Mag. Dr. Rainer Weiß bespricht und interpretiert den Anlassfall ausführlich.